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Klassischer Tanz beim Aschermittwoch der Künstler in Mainz
(9. März 2000)

Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 9 der Bischöflichen Pressestelle Mainz (Auszug der Internetversion)

 Mainz. Erstmals in seiner mehr als 25-jährigen Tradition stand beim diesjährigen Aschermittwoch der
 Künstler und Publizisten in Mainz der Tanz im Blickpunkt. Unter dem Thema "Klassischer Tanz -
 Symbolik und Wesen eines europäischen Kulturphänomens" erläuterte der Ballettdirektor am Mainzer
 Staatstheater, Martin Schläpfer, vor mehr als 400 geladenen Gästen im Bildungszentrum Erbacher
 Hof am Mittwochabend, 8. März, sein Verständnis vom Tanz als körperlich-geistiger Ausdruckskunst. 
 Schläpfer erinnerte an die Entstehung des klassischen Tanzes in der Zeit der Renaissance. Es sei
 der bis heute gültige und weiter entwickelte Versuch, Körper, Geist und Seele in ein Ganzes zu
 bringen. Mit Hilfe der aus Genf stammenden französischen Tänzerin Céline Prévost und der jetzt in
 Mainz lebenden amerikanischen Ballettpianistin Harriet Cavalli, demonstrierte Schläpfer die
 Grundelemente des klassischen Tanzes, aus denen in einem schöpferischen Akt hohe Ballettkunst
 entsteht. "Diese Kunstform stirbt nicht, auch wenn sie immer wieder totgesagt wird", betonte der
 Leiter des "BallettMainz", der seit seinem Start in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt begeistert
 gefeiert und für seine Inszenierungen auch überregional sehr starke positive Beachtung, auch von
 Seiten der Theaterkritiker, gefunden hat. In der "Ausdrehung" werde ein sich Öffnen der Tänzerinnen
 und Tänzer sichtbar, ein sich Weitergeben an andere im Öffnen des Ich in all seiner Verletzlichkeit
 und seinem Sehnen nach einer anderen nicht materiellen Welt. Diese Spannung zwischen
 Erdverhaftetheit und Leichtigkeit des Abhebens vom Boden müsse in stundenlangem harten täglichen
 Training erarbeitet werden, betonte der Ballettmeister und fügte hinzu, dass das Mobilisieren von
 Energie, vor allem in der Rotation des Tanzens, etwas Ekstatisches habe.
 Der Direktor des Erbacher Hofs, Prälat Walter Seidel, erklärte bei seiner Begrüßung, mit dem
 Engagement Schläpfers sei ein "Ruck durch das Mainzer Kulturleben" gegangen. Deshalb freue er
 sich besonders, dass es gelungen sei, ihn für diesen Abend zu gewinnen. In einer humorvollen Rede
 empfahl er nachdrücklich den Besuch des neuen Balletts am Mainzer Staatstheater und meinte, auch
 Geistliche könnten sich davon für ihre Predigt inspirieren lassen. Er kündigte an, er werde die nächste
 Ballett-Premiere besuchen und aus seiner Predigt am nächsten Tag im Dom könne man hören "ob sie
 gut war", erklärte er unter dem Gelächter des Publikums, auf das seine Begeisterung für die hohe
 Tanzkunst übersprang.

Birgit Wieczorek