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Neue Irrungen zur Echternacher Springprozession
(26. Februar 2000)

Die Zeitschrift "Gottesdienst" in ihrer Ausgabe Heft 4/2000 vom 2. März 2000 gibt unter der Überschrift "Deutung der Tänze bei der Echternacher Springprozession" unkommentiert die Meinung eines Neurologen in der Februar-Ausgabe von "Geo" wieder, der Tanz bzw. der "merkwürdige Tanzstil" sei aus epileptischen Bewegungen heraus entstanden, und mit einer "Aufführung" solcher "Tänze" meine man, sich von solcher Erkrankung schützen zu können. Diese Deutung, die die Zeitschrift "Gottesdienst" selbst als "alt" bezeichnet, ist in der Tat  altbekannt und ein Unsinn. Eine solche Deutung kann nur der aufrechthalten, der sich nicht weiter mit Tanzhistorie beschäftigt hat: Denn das hier prozessionale Springen einschließlich der ursprünglichen Musikbegleitung ähnelt sehr dem "Hupfen und Springen" der mittelalterlichen Zeit, in der die Springprozession entstanden ist, stellt also zunächst schlichtweg eine rezente Tradition dar. Die Affinität zu historischen bäuerlichen Tanzformen ist unübersehbar, wogegen ein Vergleich mit epileptischen Bewegungen evidentermaßen an den Haaren herbeigezogen erscheinen muß. Ferner ist es alles andere als glaubhaft, daß eine angebliche Krankheitsimitation in apotropäischer Absicht getan wurde und bis hinein in die Liturgie ihren Weg fand, zumal ja die Kirche das Tanzen bekämpfte. Der Heilige sollte demnach dann helfen, wenn man das als besessen Geglaubte und zudem moralisch Verurteilte bewußt zu seiner Ehre tat? Die Herausstellung des örtlichen Schutzpatronates des Hl. Willibrords für Epileptiker, Gelähmte usw. ist eine spätere Folge der Interpretationen der Springprozession; ursprünglich war und auch noch heute ist der Heilige für alle Krankheiten und Bedürfnisse gut.                                                                                                                  Gereon Vogler