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Kirchentanz kommt an die Hochschule (2)

Das Porträt     aus: Musik & Kirche Heft März/April 2002
In Zeichen denken: Siegfried Macht

Ein besonderes Anliegen ist Ihnen im Bereich der Religionspädagogik das Einbringen des Liedes und des Tanzes. Zunächst einmal zum Lied: Wird es Ihrer Ansicht nach im Religionsunterricht zu wenig berücksichtigt, wird es gar verfehlt eingesetzt?

Macht: Es ist oft das Lied, das man am Stundenanfang oder am Stundenende nimmt, oder das man in der Mitte zur Auflockerung eines sonst anstrengenden Geschehens einsetzt. Aber dass das Lied selbst im besten Falle ein kleines Gesamtkunstwerk ist, wo sich das Melodische mit dem Text verbindet, wo ich also als Religionslehrer auch meine direkten Ziele, meine Inhalte mit verknüpfen kann, wird viel zu wenig gesehen.

Und der Tanz ist dann noch eine zusätzliche Komponente, mit dem Tanz können Sie also noch mehr erreichen?

Macht: Ich denke, dass die drei Bereiche Text, Musik und Tanz eine Einheit bilden. Es ist Sprache auf je eigene Art, auch die Musik ist Sprache, ist insofern auch Theologie, sie kann von Gott, über Gott, mit Gott, zu Gott sprechen, und das ist beim Tanz genauso, der Tanz ist eine Körper-Sprache, die zur Intensivierung des Inhalts beitragen kann, sowohl erzählend wie auch lobend, klagend, oder bittend. Und man hat so im Sinne des Gesamtkunstwerks noch eine Ebene mehr, Text, Musik, und auch noch Bewegung.

Und wie stellen Sie sich das bei der begrenzten Stundenzahl vor? Das Erlernen der Tänze und auch das Erlernen der Musik selbst kostet Zeit?

Macht: Da ist es wichtig, dass in der Bewegung, also in der Zeichenhaftigkeit der Raumwege, der Schritte, der Gesten eben wirklich religionspädagogisch wesentliche Inhalte miterzählt werden. Wenn wir beispielsweise in einer Spiralbewegung in eine Mitte gehen und uns dann umdrehen, führt uns das aus der Enge heraus, und wir merken, das führt aus dem Tod ins Leben, und wenn wir dazu ein Osterlied singen, dann haben wir Kernerfahrung christlicher Überlieferung in dieser Inszenierung erlebt. Mein Liedtext in Verbindung mit der Musik und der Bewegung hat mein religionspädagogisches Ziel damit schon erreicht, hilft in dieser Verdichtung also auch Zeit sparen.

Sie denken an die Schule, aber auch an Gottesdienste, Gemeindefeste und den Kindergottesdienst. Wer soll das organisieren, denn Ihre symbolträchtige Choreographie erfordert zuvor ja eine bewusste Auseinandersetzung mit dem, was hinter den Liedtexten und den Tanzschritten steht?

Macht: Das ist ja gerade die Chance dieses neuen Bayreuther Lehrstuhls, dass die Beschäftigung mit dieser Zeichenhaftigkeit schon in der Ausbildung der Studierenden auftaucht. Und dann werden sie in der Praxis selber beginnen, solche Interpretationen für den Gottesdienst zu entdecken. Und wenn sie erst mal auf dieser Spur sind, werden sie ihre eigenen Erfahrungen machen.

Eine kritische Frage: Könnte in all dem gemeinschaftlichen Erleben von Musik und Tanz nicht vielleicht doch das Wort zu kurz kommen?

Macht: Mein Schwerpunkt ist ja gerade eine besondere Art und Weise des Umgangs mit dem Tanz. Mein Schwerpunkt ist der Liedtanz, der erzählende Liedtanz, weil ich da eben die Chance habe, Wort, Musik und Tanz zusammenzubringen.

Also ist die Kenntnis des biblischen Hintergrunds unverzichtbarer Bestandteil der Auseinandersetzung mit dem Lied und dem Tanz?

Macht: Das würde ich gar nicht trennen. Indem ich mit einer Gemeinde einen Liedtanz erarbeite, führe ich zugleich auch in den biblischen Hintergrund ein.

Sie haben ja in Ihren zahlreichen Veröffentlichungen die meisten Liedsätze neu komponiert. Glauben Sie, dass man mit dem traditionellen Schatz der alten Kirchenlieder Kinder wie Erwachsene im Gottesdienst nicht mehr erreichen kann?

Macht: Ganz im Gegenteil. Ich habe auch viele traditionelle Dinge für Bewegung erschlossen. Manche Melodien der alten Choräle sind ja weltlicher Herkunft, das waren ursprünglich Tanzlieder. Da gibt es also manche Verbindungsmöglichkeiten. Doch das sind dann meist komplexere Formen, als sie nun Kindern möglich wären. Im Kindergottesdienst kann ich nur einfachere Dinge machen, und dies möchte ich mit meinen Publikationen fördern.

Wird sich in Bayreuth Ihr Tätigkeitsfeld verändern oder erweitern?

Macht: Das ist für mich eine erhebliche Veränderung. Die Gewichte kehren sich praktisch um, bislang arbeitete ich mehr als Religionspädagoge, in Bayreuth werde ich mehr als Kirchenmusiker tätig sein. Die Kirchenmusikpädagogik, diese neue Verbindung von Kirchenmusik und Musikpädagogik, öffnet sich in die Gemeinden hinein, sie nimmt eine Brückenstellung ein zwischen der Kirchenmusik und den gemeindepädagogischen Anliegen.

Erwarten Sie, dass sich ein Kirchenmusiker künftig nicht nur dem Organistenamt und der Leitung des Kirchenchors widmet, sondern in Ihrem Sinn etwa auch Kindergottesdienste vorbereitet?

Macht: Ja, durchaus, wobei man koordinieren und auch delegieren können muss. Doch sollte nicht immer nur dasselbe delegiert werden. Mehrere Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker könnten auch gemeindeübergreifend zusammenarbeiten und so etwa den bewegungsbezogenen Formen einen festen Platz sichern. Doch es geht vor allem darum, die Fülle der vielfältigen musikpädagogischen Möglichkeiten zu entdecken, da gilt es ein weites Feld neu zu erschließen. Das fängt schon damit an, in welcher Weise man die Gemeinde auf eine kirchenmusikalische Veranstaltung hinführt.

Die Fragen stellte Thomas Bopp.


Anschrift: Prof. Dr. Siegfried Macht, Hochschule für evangelische Kirchenmusik, Wilhelminenstr. 9, 95444 Bayreuth
Tel.: 0921 - 75934-17 (Sekretariat), e-mail: info@hfk-bayreuth.de
Privat: Prof. Dr. Siegfried Macht, Kopernikusring 41, 95447 Bayreuth

Die zahlreichen Kirchentanz-Veröffentlichungen von Siegfried Macht finden Sie unter www.religioesebuecher.de mit der Eingabe des Autorennamens.