Ein besonderes
Anliegen ist Ihnen im Bereich der Religionspädagogik das Einbringen
des Liedes und des Tanzes. Zunächst einmal zum Lied: Wird es
Ihrer Ansicht nach im Religionsunterricht zu wenig berücksichtigt,
wird es gar verfehlt eingesetzt?
Macht: Es ist
oft das Lied, das man am Stundenanfang oder am Stundenende nimmt,
oder das man in der Mitte zur Auflockerung eines sonst anstrengenden
Geschehens einsetzt. Aber dass das Lied selbst im besten Falle ein
kleines Gesamtkunstwerk ist, wo sich das Melodische mit dem Text
verbindet, wo ich also als Religionslehrer auch meine direkten Ziele,
meine Inhalte mit verknüpfen kann, wird viel zu wenig gesehen.
Und der Tanz
ist dann noch eine zusätzliche Komponente, mit dem Tanz können
Sie also noch mehr erreichen?
Macht: Ich denke,
dass die drei Bereiche Text, Musik und Tanz eine Einheit bilden.
Es ist Sprache auf je eigene Art, auch die Musik ist Sprache, ist
insofern auch Theologie, sie kann von Gott, über Gott, mit
Gott, zu Gott sprechen, und das ist beim Tanz genauso, der Tanz
ist eine Körper-Sprache, die zur Intensivierung des Inhalts
beitragen kann, sowohl erzählend wie auch lobend, klagend,
oder bittend. Und man hat so im Sinne des Gesamtkunstwerks noch
eine Ebene mehr, Text, Musik, und auch noch Bewegung.
Und wie stellen
Sie sich das bei der begrenzten Stundenzahl vor? Das Erlernen der
Tänze und auch das Erlernen der Musik selbst kostet Zeit?
Macht: Da ist
es wichtig, dass in der Bewegung, also in der Zeichenhaftigkeit
der Raumwege, der Schritte, der Gesten eben wirklich religionspädagogisch
wesentliche Inhalte miterzählt werden. Wenn wir beispielsweise
in einer Spiralbewegung in eine Mitte gehen und uns dann umdrehen,
führt uns das aus der Enge heraus, und wir merken, das führt
aus dem Tod ins Leben, und wenn wir dazu ein Osterlied singen, dann
haben wir Kernerfahrung christlicher Überlieferung in dieser
Inszenierung erlebt. Mein Liedtext in Verbindung mit der Musik und
der Bewegung hat mein religionspädagogisches Ziel damit schon
erreicht, hilft in dieser Verdichtung also auch Zeit sparen.
Sie denken
an die Schule, aber auch an Gottesdienste, Gemeindefeste und den
Kindergottesdienst. Wer soll das organisieren, denn Ihre symbolträchtige
Choreographie erfordert zuvor ja eine bewusste Auseinandersetzung
mit dem, was hinter den Liedtexten und den Tanzschritten steht?
Macht: Das ist
ja gerade die Chance dieses neuen Bayreuther Lehrstuhls, dass die
Beschäftigung mit dieser Zeichenhaftigkeit schon in der Ausbildung
der Studierenden auftaucht. Und dann werden sie in der Praxis selber
beginnen, solche Interpretationen für den Gottesdienst zu entdecken.
Und wenn sie erst mal auf dieser Spur sind, werden sie ihre eigenen
Erfahrungen machen.
Eine kritische
Frage: Könnte in all dem gemeinschaftlichen Erleben von Musik
und Tanz nicht vielleicht doch das Wort zu kurz kommen?
Macht: Mein
Schwerpunkt ist ja gerade eine besondere Art und Weise des Umgangs
mit dem Tanz. Mein Schwerpunkt ist der Liedtanz, der erzählende
Liedtanz, weil ich da eben die Chance habe, Wort, Musik und Tanz
zusammenzubringen.
Also ist
die Kenntnis des biblischen Hintergrunds unverzichtbarer Bestandteil
der Auseinandersetzung mit dem Lied und dem Tanz?
Macht: Das würde
ich gar nicht trennen. Indem ich mit einer Gemeinde einen Liedtanz
erarbeite, führe ich zugleich auch in den biblischen Hintergrund
ein.
Sie haben
ja in Ihren zahlreichen Veröffentlichungen die meisten Liedsätze
neu komponiert. Glauben Sie, dass man mit dem traditionellen Schatz
der alten Kirchenlieder Kinder wie Erwachsene im Gottesdienst nicht
mehr erreichen kann?
Macht: Ganz
im Gegenteil. Ich habe auch viele traditionelle Dinge für Bewegung
erschlossen. Manche Melodien der alten Choräle sind ja weltlicher
Herkunft, das waren ursprünglich Tanzlieder. Da gibt es also
manche Verbindungsmöglichkeiten. Doch das sind dann meist komplexere
Formen, als sie nun Kindern möglich wären. Im Kindergottesdienst
kann ich nur einfachere Dinge machen, und dies möchte ich mit
meinen Publikationen fördern.
Wird sich
in Bayreuth Ihr Tätigkeitsfeld verändern oder erweitern?
Macht: Das ist
für mich eine erhebliche Veränderung. Die Gewichte kehren
sich praktisch um, bislang arbeitete ich mehr als Religionspädagoge,
in Bayreuth werde ich mehr als Kirchenmusiker tätig sein. Die
Kirchenmusikpädagogik, diese neue Verbindung von Kirchenmusik
und Musikpädagogik, öffnet sich in die Gemeinden hinein,
sie nimmt eine Brückenstellung ein zwischen der Kirchenmusik
und den gemeindepädagogischen Anliegen.
Erwarten
Sie, dass sich ein Kirchenmusiker künftig nicht nur dem Organistenamt
und der Leitung des Kirchenchors widmet, sondern in Ihrem Sinn etwa
auch Kindergottesdienste vorbereitet?
Macht: Ja, durchaus,
wobei man koordinieren und auch delegieren können muss. Doch
sollte nicht immer nur dasselbe delegiert werden. Mehrere Kirchenmusikerinnen
und Kirchenmusiker könnten auch gemeindeübergreifend zusammenarbeiten
und so etwa den bewegungsbezogenen Formen einen festen Platz sichern.
Doch es geht vor allem darum, die Fülle der vielfältigen
musikpädagogischen Möglichkeiten zu entdecken, da gilt
es ein weites Feld neu zu erschließen. Das fängt schon
damit an, in welcher Weise man die Gemeinde auf eine kirchenmusikalische
Veranstaltung hinführt.
Die Fragen stellte
Thomas Bopp.
Anschrift: Prof. Dr. Siegfried Macht, Hochschule für evangelische
Kirchenmusik, Wilhelminenstr. 9, 95444 Bayreuth
Tel.: 0921 - 75934-17 (Sekretariat), e-mail: info@hfk-bayreuth.de
Privat:
Prof. Dr. Siegfried Macht, Kopernikusring 41, 95447 Bayreuth
Die
zahlreichen Kirchentanz-Veröffentlichungen von Siegfried Macht
finden Sie unter www.religioesebuecher.de
mit der Eingabe des Autorennamens.
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