Marian van Amsterdam:
Hoe welkom zijn op de bergen de voeten van de vreug-debode (Jes. 52,7)
... Dans binnen de liturgie...? (Liturgie in perspectief 4), Uitge-verij
Abdij van Berne, Heeswijk-Dinther 1995, 118 Seiten (niederländisch),
DM 29,80.
Stellen Sie sich vor: Man studiert
Theologie, tanzt liebend gern und hat ein Herz für Liturgie. Da nimmt
es nicht wunder, daß die Abschlußarbeit über Tanz in der
Liturgie handelt. Nun ist Begeisterung immer ein gefährlicher Antrieb
für wissenschaftliche Arbeit, und das erste Lob, das man Marian van
Amsterdam spenden muß, ist, daß sie dieser Verführung
nicht erlegen ist. Aus den spärlichen und desperaten Stellen bastelt
sie sich nicht eine ergeben tanzende Urkirche zusammen, was manchmal anderen
passiert ist. Die lyrische Beschreibung der klassischen Messe als ein langsamer
Tanz, etwa bei R. Knox, Kardinal Newman und Jacques Maritain, kommentiert
sie nüchtern: Wenn das stimmte, wäre der Tanz erst mit Vaticanum
II aus der Liturgie verschwunden.
So gibt sich mancher auch leicht
gewonnen, wenn Tiefendimensionen geboten werden und der ganze Kosmos mitschwingt,
wie im kontinentaleuropäischen Sacred Dance. Den aber erkennt die
Autorin als einen synkretistischen Mysterienkult. Und: Was scheint mehr
angebracht, als wenn die Bewegungen der Seele sich in der Bewegung des
Leibes entfalten – Ausdruckstanz. Auch da meldet sie Bedenken an: Expressionismus
verträgt sich wohl schlecht mit Liturgie. Das überrascht um so
mehr, weil im thetischen Teil des Buches ziemlich oft auf das Wort „expressie"
zurückgegriffen wird. Auch ihren eigenen Versuchen in Sachen liturgischen
Tanzes steht sie kritisch gegenüber; da signalisiert sie lehrreiche
Fehlschläge. – Wenn man dann noch feststellt, daß das Buch besser
geschrieben ist, als es heutzutage unter Akademikern üblich ist, kann
man nur froh sein, daß das Liturgische Institut der katholischen
Fakultät Tilburg diese Studentenarbeit in eine von ihr herausgegebenen
Bücherreihe aufgenommen hat.
Das Buch unterteilt sich in vier
Kapitel:
I. Tanzgeschichte: Bibel, Judentum,
Christentum. – Schon Bekanntes wird sorgfältig gesichtet, die Schlußfolgerungen
bleiben innerhalb einer breit geteilten communis opinio. Sympathisch ist,
daß hier der jüdische Tanz nicht als Hilfswissen für die
christliche Tanzgeschichte gilt; vielmehr wird er verfolgt fast bis in
die Gegenwart im Staat Israel.
II. Ein anthropologisches Kapitel:
Tanz und Bewegung als integrierende Bestandteile des Rituals. – Dieses
Kapitel ist etwas kopflastig, es ist sogar eine Seite länger als das
dritte, das über Theologie handelt. Wir lesen über Raum und Zeit,
Ekstase und Enstase, Dionysos und Apollo, Symbolhandlung und Symbolsprache,
und das alles dann in Verbindung gebracht mit Tanz. Die Absicht ist, den
Tanz als ritualfähig zu präsentieren, mehr noch: als integrierenden
Bestandteil eines Rituals. Rituale sind, heißt es, ihrem innersten
Wesen nach religiös; so ist es auch der Tanz. Das alles hätte
kürzer und direkter gesagt werden können, und dabei wäre
auch nicht eine so unbestimmte Definition von „religiös" vonnöten
gewesen: alles, was Grenzen verrückt.
Andererseits wäre es nützlich
gewesen, wenn die Autorin klar beschrieben hätte, welche Art von Tanz
sie meint. Sie schreibt, daß eine Definition von Tanz schwer zu geben
sei und es sie vielleicht gar nicht gäbe. Das mag sein, aber wenn
„der" Tanz so ziemlich religiös hochstilisiert wird, möchte man
wissen, ob Disco und House auch dazu gehören, und wenn nicht, was
die Gründe dafür sind. Es wäre vielleicht möglich,
von einer Säkularisierung des Rituals und des Tanzes zu sprechen,
aber wenn man so etwas vertritt, sollte darauf in diesem Zusammenhang doch
eingegangen werden. Sonst hängt paradoxerweise der Tanz als etwas
Abstraktes in der Luft.
III. Ein theologisch-liturgisches
Kapitel: Tanz und Bewegung als integrierende Bestandteile des christlichen
Rituals. – Die Reihenfolge Anthropologie–Theologie läßt vermuten,
daß hier der liturgische Tanz als Spezialisierung des Tanzes generell
angesehen wird. Aber das ist nicht der Fall. In diesem Kapitel kommt die
biblische, besonders die alttestamentliche Anthropologie voll zur Geltung:
Wir sind Leib, die Seele als Seele des Leibes. Fast ist man verführt
zu denken: Dann hätten wir Kapitel II entbehren können, bestenfalls
wäre dann ein bißchen Phänomenologie des Tanzes angebracht
gewesen. Aber in diesem Kapitel spielt noch etwas anderes ein Rolle als
tragender Grund: ein massiver Pansakramentalismus. Die Autorin folgt hier
besonders Leonardo Boff: Sakramentalität übersteige die sieben
Sakramente der römisch-katholischen Kirche, alles Materielle sei sakramental.
Inkarnation, Auferstehung und Kirche (mit der Liturgie als Herzstück)
seien Verdichtungen dieser Sakramentalität. Und so ist dann auch der
Tanz sakramental und also liturgiefähig.
Nun sind Wörter wie „all",
„alles", „immer" usw. mir nicht sonderlich lieb. Wenn es immer Sonntag
wäre, würde der Sonntag seine Farbe verlieren. Immer Urlaub ist
gleich Arbeitslosigkeit. Was heißt aus dieser Sicht sakramental?
Alles trägt das Göttliche in sich und ist deswegen eine Begegnungsstelle
mit dem Heil. Das müßte dann „verdichtet" werden in Jesus und
in der Kirche. Diese Bewegung vom Allgemeinen zum Besonderen scheint mir
der biblischen Weise zu widersprechen, die immer vom Besonderen zum Allgemeinen
geht. Das Volk Israel wird erwählt als Träger des Heils, nicht
aufgrund einer ihm innewohnenden Qualität, sondern weil Gott es so
will. Eben so erreicht das Heil schließlich die Enden der Erde.
Und warum dieser Umweg? Eben die
biblische Anthropologie ist da wegweisend: Wir sind aufgefordert, als Gemeinde
in unserer totalen menschlichen Existenz vor Gott zu erscheinen. Hände
und Füße brauchen nicht mehr problematisiert zu werden als unsere
Stimme. Das reicht für den liturgischen Tanz.
IV. Kapitel: Der Tanz in der Praxis
der heutigen Liturgie. – Päpstliche und andere Dokumente werden zitiert,
die, 1929 angefangen, allmählich eine Neuorientierung auf die Leiblichkeit
hin bezeugen. Das Vaticanum II folgt dieser Spur, ohne jedoch den Tanz
als solchen zu nennen. Das tun dann 1978 die amerikanischen Bischöfe
und etwas früher, in einem Zeitschriftenartikel, die zuständige
vatikanische Kongregation. Die in diesen Dokumenten genannten Kriterien
werden von der Autorin kurz summiert und um die Kriterien von Freiheit
und Authentizität ergänzt. Schließlich folgt eine Bestandsaufnahme
liturgischen Tanzens: Afrika, besonders das damalige Zaire, Amerika, Europa.
Manchmal bezieht Marian van Amsterdam
ziemlich herausfordernde Positionen und macht dann, fast beiläufig,
ein paar relativierende Bemerkungen. Ein Fall ist mir besonders wichtig:
Liturgischer Tanz, sagt sie, muß möglich sein, aber man soll
nicht unbedingt tanzen. Das ist eine wichtige Feststellung, weil sie passim
den Tanz so sehr auf den Schild hebt, daß er unabdingbar zu einer
vollständigen Humanität zu gehören scheint. Nun vermitteln
manchmal Missionare des liturgischen Tanzes den Eindruck, daß sie
nicht ruhen werden, bis sich „die Gemeinde" zum Tanzen bekehrt hat. Das
scheint mir ein Irrweg zu sein. Es gibt eine Humanität ohne Tanz,
sogar ohne die uns geläufigen Äußerungen zur Leiblichkeit.
Mitte des 17. Jahrhunderts hat man, wenigstens in Westeuropa, angefangen
zu sitzen, in der Kirche, im Theater und wo alles sonst noch. Man ist „sässig"
geworden, und das bis heute. Nun läßt sich behaupten, daß
damit die volle Humanität beeinträchtigt wird. Aber die „Opfer"
empfinden es nicht so, sie haben den Mangel schon längst selbst behoben,
bereits damals, besonders im reformierten Bereich, mit einer bildenden,
leiblichen Sprache, so wie Israel das Bildverbot durch eine bildende, leibliche
Sprache kompensierte. Heute begegnet man dem Mangel mit Hometrainer und
Jogging, oder man schaut sich die Sportschau an und identifiziert sich
mit den Spielern. Kunstpädagogen predigen manchmal ungefähr so,
daß, wer keine Kunst zu sehen weiß, sein Leben an einer blinden
Mauer vorbeirollen ließe. Mag sein, aber auch da haben die Opfer
sich längst mit ihrer Behinderung zurechtgefunden und möchten
nicht bekehrt werden.
So werden Versuche, die sitzende
Gemeinde zum Tanzen zu bringen, scheitern. Diese hat sich längst in
einer für sie adäquaten liturgischen Form etabliert. Der liturgische
Tanz sollte besser in Paragemeinden angeboten werden, wo diejenigen sich
einfinden können, deren Leib sich rührt. Dort kann sich dann
auch eine ganze Gemeinde wirklich bewegen, nicht nur eine Tanzgruppe oder
bestenfalls die Kantorei.
Noch einmal zurück zum Buch.
Der Titel „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten"
(Jes 52,7) suggeriert, Tanz sei Freude gleichzusetzen, und das ist auch
der Eindruck, den die Lektüre des Buches manchmal hinterläßt.
Marian van Amsterdam weiß aber gleichfalls, daß der Tanz Trauer
tragen kann, und möchte deswegen einer zweiten Auflage, die ihr von
Herzen gewünscht sei, lieber einen Titel wie „Willkommen die Füße"
oder etwas Ähnliches geben.
Hans R. Blankesteijn