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Christa Mayerhofer-Derdau, Die Königin von Saba und andere Geschichten über Frauen der Bibel, VHS-Video-Kassette, Eigenverlag Neu-Ulm 1995, 110 Min., DM 75,00.

Es liegt so nah und scheint doch gleichzeitig undenkbar: eine Verbindung von Bibel und Bauchtanz zu schaffen. Wenn heute allenthalben auf das Tanzen der Alttestamentlichen verwiesen wird, dann fehlt dabei meistens die Phantasie, um sich vorzustellen, wie deren Tanzen denn ausgesehen haben könnte und welches Tanzen dem Vorderen Orient wohl am meisten entspräche. (Meditative Kreistänze waren es wohl kaum.) Sind die heute in der arabischen Welt praktizierten Tanzweisen den damaligen nicht vermutlich viel näher als das, was wir aktuell an sakralem Tanzen gestalten? Von daher liegt bei der Lektüre der Bibel der Gedanke an den Bauchtanz im Grunde nicht fern. Doch nachdem Johannes der Täufer für den erotischen Tanz der Salome seinen Kopf lassen mußte (Mt 14,6), hatte dieses biblisches Ereignis über lange Zeit als abschreckendes Beispiel für die böse Macht des Tanzes hergehalten und als solches die Negativ-Geschichte des Tanzes im Christentum nicht wenig beeinflußt. So wollte den Christen nicht mehr der Gedanke an eine einigermaßen erotische Tanzform wie der des Bauchtanzes als für den Glauben dienlich in den Sinn kommen. Doch die Zeiten haben sich geändert: Mit Christa Mayerhofer-Derdau gibt es nun Bauchtanz auf Kirchentagen! Ist das nun der aus dem Zeitgeist geborene Gipfel der Respektlosigkeit gegenüber den letzten Heiligtümern des christlichen Glaubens? – Wer hier etwas Voyeurhaftes erwartet hat, wird ganz und gar eines Besseren belehrt. Denn eine Handspanne freier Haut zwischen Brust- und Hüftbekleidung ist nicht das, was einen Tanz zur Unsitte formt. Im Gegenteil, es ist Christa Mayerhofer-Derdaus löbliche Absicht, erzählend und mit den durchaus sittlichen Reizen einer Frau die weiblichen Gestalten des Alten Testamentes vertrauter zu machen.
Christa Mayerhofer-Derdau leitet in Neu-Ulm ein Gymnastikstudio, wo sie Bauchtanz, Afrotanz, Brasilianische Straßensamba und Mutter-Kind-Turnen unterrichtet. Außerdem engagiert sie sich für kirchliche, feministische und interkulturelle Frauenarbeit. In ihrem Tanz- und Erzählabend „Die Königin von Saba und anderen Geschichten über die Frauen der Bibel" greift Christa Mayerhofer-Derdau ein Anliegen feministischer Theologie auf. Sie möchte sichtbar machen, daß die Frauen des Alten Testamentes nicht nur mehr oder weniger fromm, sondern eigenständige handelnde Personen waren, klug, charmant, gewitzt und feminin mit erotischer Ausstrahlung, die beileibe nicht nur im Gefolge und Schatten der Männer existierten. Während solche Aussagen sonst nur per Papier vermittelt werden, setzt Mayerhofer-Derdau die biblischen Erzählungen selbst nacherzählend und in farbenprächtigen Kostümen und Tänzen um. Im Laufe des abendfüllenden Programms präsentiert die christliche Tanzlehrerin (solistisch) abwechselnde Sequenzen aus Erzählungen und Bauchtänzen. Die Stücke lauten: „Die Königin von Saba", „Der Tanz um das Goldene Kalb", „Die Tochter des Pharao", „Tamar" und „Das Loblied der Miriam". Christa Mayerhofer-Derdaus ruhige und charmante Erzählweise wirkt freundlich, ein bißchen gemütlich und weist nichts Plakatives oder Spektakuläres auf. Wenn sie zwischendurch Kinder aus dem Publikum mit einbezieht, ist das stimmig, schon vom Hintergrund ihrer beruflichen Tätigkeit her; ansonsten würde es auch für die Kinder lang, denn die erzählten Inhalte sind doch komplex. Tänzerisch wirken die Bauchtänze überzeugend und gekonnt. Der Rezensent muß jedoch zugeben, daß er trotz mannigfaltiger Beschäftigung mit Tanzarten zu der des Bauchtanzes nicht sonderlich viel sagen kann. Es überrascht ein wenig, daß der Bauchtanz, wie er hier dargeboten wird, eher weniger als erwartet wirklich exotisch erscheint. Doch so ganz einfach läßt er sich wohl nicht „verwest-li-chen": Die Hinzunahme der Musik „Oxygène" von Jean-Michel Jarre überzeugt nicht, obgleich die Idee, einmal kreativ mit dem Medium Bauchtanz umzugehen, unbedingt etwas für sich hat.
Christa Mayerhofer-Derdau konnte „Die Königin von Saba" beim Evangelischen Kirchentag 1993 in München und 1995 in Hamburg aufführen, außerdem bei zahlreichen anderen kirchlichen, feministischen oder künstlerischen Projekten. (Man kann sie auch einladen!) Nun hat sie von dieser narrativ-tänzerischen Kollektion ein Video von fast zwei Stunden Dauer herausgebracht, das käuflich zu erwerben ist. Dieses Video gibt weitgehend einen originalen Auffüh-rungsabend der bibelerzählenden Bauchtänzerin wieder. Unterbrochen wird der Wechsel von Erzählung und Tanz durch zwei Aufzeichnungen von Erzählsequenzen in der freien Natur, die seriös unterstreichen, worum es der Tänzerin geht, nämlich um eine entsprechende Darstellung der alttestamentlichen Frauen. 
Das Video ist professionell gemacht. Allerdings vermißt man doch eine kompromißlos professionelle Darstellung, weil es für einen amateurhaften Kompromiß eigentlich keinen Grund gibt. Chronisch stört beispielsweise die relativ schwache Beleuchtung des Bühnenraumes, die die Atmosphäre dadurch unnötigerweise ins Schummerige verzieht und die die Farben nicht richtig leuchten läßt. Auch hätte man der Regie und dem Cutter noch einiges mehr an Einfällen und Temperament gewünscht, denn so bleibt der oder die Video-Zuschauende weitgehend in der Perspektive des oder der Bühnenbetrachtenden.
In jedem Fall ist das Video aber gut anzusehen. Gestattet werden sollte jedoch die Frage, wann und wie man das tun wird. Man könnte sich damit einen Abend im Heimkino gestalten, aber dazu bräuchte es wegen der Gesamtlänge des Videos doch viel Ausdauer und Interesse am Thema. Besser vorstellbar erscheint die Möglichkeit, in der Gemeindearbeit (schwerpunktmäßig mit Erwachsenen), z.B. in einem Frauen- oder Bibelkreis, sich als Einführung eine Abfolge von Erzählung und dazugehörigem Tanz auszuwählen. Insofern empfiehlt sich die Anschaffung des Videos besonders für gemeindepädagogisch ausgerichtete Einrichtungen und Tätige als Arbeitsmaterial.

Gereon Vogler
 
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