Marlis Ott: Bewegte Botschaft.
Liedtänze zum Tages-, Jahres- und Lebenskreis, Theologischer Verlag,
Zürich / Verlag am Eschbach, Eschbach 1996, 120 Seiten, incl.
1 CD, DM 68,00.
Nicht nur wegen der CD mitten auf
dem vorderen Buchdeckel fällt dieses Buch von Marlis Ott unter den
Neuerscheinung von 1996 zum sakralen Tanz auf. Es ist auch mit Abstand
das aufwendigste, am sorgfältigsten erstellte und ästhetischste
Stück unter dem Reigen der Ratgeber zum Tanz vor dem Herrn. Man darf
gespannt sein, ob dies Buch auch inhaltlich hervorsticht.
Über die inhaltliche Qualität
läßt sich aber erst reden, wenn die bewertenden Kriterien klar
sind. Diese hängen wesentlich davon ab, was dieses Buch sein will
und soll. „Liedtänze zum Tages-, Jahres- und Lebenskreis" verspricht
sein Titel und meint damit Liedtänze für Gottesdienste oder andere
geistliche Anlässe, zu Festen im Kirchenjahr sowie zu Lebenswenden
(wie Taufen etc.). In der Weite seines Anspruchs ist es eher bescheiden:
Es will dazu einladen, „im Liedtanz die Botschaft gemeinsam (zu) bewegen"
(9). Marlis Ott bietet in ihrem Buch keine Theorie, keine großen
Ziele, es ist ein Buch für die Praxis und will hierfür konkrete
Vorschläge bieten. Eine Besonderheit dazu liefert das Buch in der
Verbindung von Lied, Tanz, Bild und Text: Häufig sind die Bewegungsvorschläge
durch Texte ergänzt, die passend für die Gottesdienstgestaltung
sein können, teilweise finden sich kleine Gottesdienstmodelle. Besonders
ragen außerdem noch fünf Bildbetrachtungen von Ueli Ott zu ganzseitig
reproduzierten Bildern bzw. Fotos („Tanzende" – Zeichnung von Roland Peter
Litzenburger, Elfenbeinrelief „Himmelfahrt Christi" (um 1000), Mirjams
Befreiungstanz von Marc Chagall, Tanzender Engel vom Hauptportal des Baseler
Münsters, musizierender und tanzender Franziskus – Holzschnitt von
Sr. M. Sigmunda May) hervor. Allerdings sind diese Bilder nur zur persönlichen
Erbauung und kaum zur Weitergabe geeignet, denn zu dieser müßte
man z.B. Dia-Kopien haben. – Beim Hineinhören in die zum Buch gehörige
CD versteht man sofort, daß die exponierte Präsentation dieses
Tonträgers nicht nur als verkaufsfördernde Originalität
gerechtfertigt ist: Diese CD ist ein Gedicht! Die Flawiler Kantorei unter
der Leitung von Christof Näf hat hier wunderschön – jeweils mit
wechselnder Instrumentierung eingeleitet und leicht begleitet – alle 35
Lieder und Kanons des Buches intoniert, daß es eine Lust ist, diese
zu hören und mitzusingen. Diese CD darf ein wichtiges Kaufargument
sein.
Auch hieran ersieht man die Sorgfalt, die in diesem Buch steckt.
Ausgewählt hat Marlis Ott vor
allem Lieder aus dem gängigen kirchlichen und sonstigen geistlichen
Liedgut für Erwachsene. Darunter finden wir liturgische Gesänge,
einfache Kanons und stimmungsvolle Lieder, im Grunde eine Auswahl, die
vor allem Erwachsene gerne singen, der „reife" Jahrgang der Autorin hat
für eine reifere Liedauswahl gesorgt. Wohl nicht zuletzt wegen dieser
Liedauswahl sowie durch deren sorgfältige Intonierung auf der CD ist
es der Autorin oder dem Verlag bemerkenswerterweise gelungen, eine finanzielle
Unterstützung des Vereins „Neues Singen in der Kirche", dem Kirchenrat
der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich und den
Vereinen für die Herausgabe des katholischen wie des evangelischen
Gesangbuches der deutschsprachigen Schweiz zu erhalten. Daran wird nicht
nur die Ökumene, sondern vor allem auch die offiziöse Akzeptanz
kirchlicher Stellen (in der Schweiz) bei diesem Projekt deutlich. – Eine
so wunderbare CD kann freilich dazu verleiten, sich auf die Musikkonserve
zu verlassen und nicht selbst zu singen. Zu Recht bezeichnet es die Autorin
jedoch als „am stimmigsten" (9), die Lieder durch die Tanzenden auswendig
singen zu lassen, was wegen der vielen Kanons und wegen der Bekanntheit
für einen Großteil der Lieder nicht unrealistisch erscheint.
In der Liedauswahl hebt sich Marlis
Ott am meisten von den anderen Autorinnen von Liedtänzen oder Bewegungsliedern
ab. Von deren Gestaltung her jedoch sind sich die verschiedenen Autorinnen
alle nicht fern, insbesondere vom Prinzip einer nicht besonders anspruchsvollen
mimisch-illustrativen Umsetzung des Textes. Auch bei Ott werden ganz überwiegend
die Liedtexte abgebildet und nicht die Lieder in ihrer Gesamtaussage oder
liturgischen Funktion interpretiert. Allerdings bildet die Autorin positiverweise
nicht ganz so detailliert ab und hat außerdem noch einiges mehr zu
bieten: Das Buch enthält auch einige komplexere Choreographien, ferner
einige Modelle, die sich vom Wortlaut des Liedes lösen, und vor allem
bedenkt es verschiedentlich auch die Menschen, die sich während des
Gottesdienstes normalerweise in den Kirchenbänken aufhalten. Dieser
letztere Vorteil spielt leider keine größere Rolle in dieser
Sammlung von Liedtänzen. Marlis Ott kommt vom Meditativen Tanzen und
versteht ihre Tänze zunächst einmal als ein solches Tun. Infolgedessen
haben die meisten Tänze die Kreisform als Grundmuster. Oft multipliziert
sie die Kreisform auf drei oder vier, so daß man sich als den ursprünglichen
Ort für solches Tanzen größere Räume (Tagungshäuser,
flexible Gottesdiensträume, Säle) vorstellen muß. In der
Tat dürften derzeit geistliche Liedtänze für Erwachsene
weit mehr im Rahmen von Kursen und Seminaren ihren Platz haben als in Gemeindegottesdiensten,
was wegen der verbreiteten bestehenden und noch zunehmenden Verödung
der Gemeindegottesdienste sehr zu bedauern ist. Hierauf wünschte man
sich auch von Marlis Ott (Ehefrau eines Pfarrers) mehr Augenmerk, als er
in diesem Buch zu erkennen ist.
„Bewegte Botschaft" heißt
dieses Buch und meint damit wohl die Gute Nachricht, die in Tanz übersetzt
wird. Mar-lis Ott beschränkt sich jedoch nur auf geistliche Liedtänze,
hatte aber einleitend auch nicht mehr versprochen. Die eingangs gestellte
Frage, ob sich dieses aufwendige Buch inhaltlich auszeichnet, läßt
sich dahingehend beantworten, daß wegen der Auswahl der Lieder und
der komfortablen Ausstattung (incl. attraktiver CD) das Buch etwa für
die Arbeit mit Gruppen sicherlich zu empfehlen ist.
Gereon Vogler
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