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Waltraud Schneider: Tanzend beten – betend tanzen. Beispiele für Gottesdienste in Gemeinde und Gruppe, Verlag Herder Freiburg / Basel / Wien 1996, 95 Seiten, DM 19,80.

Nach ihren ersten beiden Büchern „Getanztes Gebet. Vorschläge für Gottesdienste in Gemeinde und Gruppe" (Freiburg 1986) und „Lobt ihn mit Tanz. Neue Vorschläge für den Gottesdienst" (Freiburg 1990) hat Waltraud Schneider nun zum dritten Mal eine Sammlung von Bewegungsliedern vorgelegt. Diese Vorschläge folgen in ihrer Weise und in ihrer Darstellung den bisherigen. Die Autorin bekennt sich ohne Umschweife zur Einfachheit ihres Tuns und empfindet diese als große Chance für viele Menschen, die zum Lobe Gottes tanzen wollen. Der Tanz soll bei ihr nichts Kunstfertiges sein, sondern lediglich dazu dienen, sich „mit allem vor Gott zu bringen" (5), d.h. sich im Gebet und Gottesdienst auch leiblich auszudrücken. Zudem verhilft der leibliche Ausdruck der schwäbischen Religionslehrerin gemeinsam mit Gruppen oder Klassen, die gesungenen oder gesprochenen Texte anders zu erfahren, sozusagen tanzend, tuend sich selbst zu vermitteln. So besteht das Grundprinzip der meisten Tänze darin, den Lied- oder Gebetstext mimisch-illustrativ wahrzunehmen. 
Bereits der Untertitel des Buches gibt an, die Tänze seien vornehmlich für den Gottesdienst bestimmt. Als Liturgiker empfindet man deshalb ein gewisses Bedauern, wenn man sieht, daß der Ansatz und die Arbeit von Waltraud Schneider unweigerlich darauf hinauslaufen, beliebte Lieder und Tänze möglichst passend im Gottesdienst unterzubringen, anstatt Liturgien als bewegte und mit Tanz zu gestaltende Handlungsverläufe anzugehen. Aber dieses Problem ergibt sich derzeit bei nahezu allen Neuerscheinungen, weil es einfach viel leichter ist, einzelne Lieder in Bewegung umzusetzen als komplexere Choreographien oder gar bewegte Gesamtkonzeptionen zu schaffen. Wir sind noch nicht so weit.
Was nun die Qualität der einzelnen Beispiele angeht, bleibt sich die Autorin treu in der Weise der zumeist mimischen Illustrierung der Texte. Über den Sinn solcher überwiegend realistischen Abbildung von Liedtexten, die bei Waltraud Schneider zuweilen bis zur Einbeziehung von Fingerbewegungen geht, kann man sehr geteilter Meinung sein, und dies diskutieren die Autorin und ich bereits länger freundschaftlich, aber kontrovers. M.E. ist es nicht die Aufgabe der Bewegung, noch einmal das zu zeigen, was der Text bereits mitteilt und jedermann verstehen kann, sondern das Lied als Ganzes, etwa als Jubel, Klage oder eine andere Gesamtaussage zu interpretieren. Während ich mir ein solches differenziertes mimisch-illustratives Tun höchstens für Kinder als sinnvoll vorstellen könnte und ansonsten mehr als Theaterspielen empfinde, ist sich Waltraud Schneider sicher, daß damit – nicht nur bei Kindern – ein anderer Zugang, eine andere Betroffenheit vom Text erreicht wird. Es kann natürlich sein, daß sich selbst bei Erwachsenen ein Text, der sonst vorbeigerauscht wäre, auf diese Weise in einem ganz anderen Maße erschließt. Darum sollte man diesen Ansatz Schneiders und anderer – mit einigen Bedenken – anerkennen. Fraglich scheint jedoch, ob ein solches Tun sich für die Liturgie besonders geeignet ist, insbesondere für den Gemeindegottesdienst, wo es immer viele Zusehende gibt. Die Gebärden Schneiders sind vornehmlich nicht fürs Vormachen und Zeigen gemacht, und daß alle mitmachen, gibt es nur in Gruppengottesdiensten. Davon ausgenommen sind einige Tänze, die mit Tüchern gestaltet werden und damit eine etwas andere Ausdrucksweise erreichen.
Erfreulich ist festzustellen, daß Waltraud Schneider diesmal mehr bekanntere Lieder ausgewählt hat, die man nicht erst kennenlernen muß, sondern gleich umsetzen kann. Natürlich sind alle Lieder mit Noten und Gitarrengriffen versehen. Reizvoll ist es, daß sich neben den Liedern auch das Schuld- und das Glaubensbekenntnis, der Psalm 23 und das Vaterunser als in Bewegung umgesetzte Sprechtexte finden. Die Bewegungsanweisungen sind wie gesagt sehr einfach, klar und verständlich, die Zeichnungen helfen, sie zu verstehen. Leider hat sich der Verlag nicht viel Mühe gemacht und mit Korrekturen und Gestaltung gespart. – Zum Kauf und Gebrauch zu empfehlen ist m.E. das Büchlein vor allem für die religionspädagogische Arbeit mit Kindern im oberen Primar- und im unteren Sekundarbereich.

Gereon Vogler
 
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