Albert Stüttgen,
Dich erfahren. Tanzmeditationen, Benno-Bernward-Morus Ver-lags-gemeinschaft,
Hildesheim 1994, 138 Seiten, DM 32,00.
Die Rede ist hier einmal nicht vom
„Meditativen Tanzen", sondern von „Tanzmeditationen". Das meint etwas anderes,
obgleich es sich auch um ein meditatives Tanzen handelt. In diesem Buch
werden dreißig meditative Gebetstexte dargeboten, deren Grundlage
jeweils ein entsprechender Gesang aus Taizé bildet. Der Autor dieser
Meditationen, Albert Stüttgen, ist Professor für Philosophie
an der Universität Münster. Doch braucht man hier deswegen keine
längeren philosophischen Darlegungen zu befürchten. Es sind seine
Gebete, kurze Sätze in klaren Worten. Albert Stüttgen schreibt
in seinem Vorwort, es gehe darum, „daß ein von Not und Sorge befreites
Leben nicht nur geglaubt und erhofft, sondern auch ansatzweise schon leibhaft
spürbar wird." Darum bemüht sich die Aachenerin Margrit Bachmann,
die dreißig Tänze zu diesen Gesängen aus Taizé in
aller Einfachheit und Eindeutigkeit choreographiert hat. Dorothee Stüttgen
gestaltet das Buch schließlich graphisch schlicht und doch sehr gefällig.
Die Einfachheit ist zweifellos das
verbindende Glied zwischen den Taizé-Gesängen, den Schrittfolgen
und den Meditationen, und sie ist gewollt. So schreibt der Autor, das Einfache
fordere dazu auf, „jeder Willensan-
strengung zu entsagen und die Gedanken
zur Ruhe kommen zu lassen", damit Körper und Geist, Gefühl und
Verstand gesammelt und ungetrennt seien (Vorwort).
Und das mag mit diesen Tänzen
gut möglich sein. Die Materialauswahl dieses Buches ist sicherlich
leicht erlernbar oder an eine Gemeinde weiterzugeben. An jede Tanzbeschreibung
schließt sich eine Interpretation der Bewegungen und Gestik an, um
eine Verbindung zwischen Liedern und Bewegungen herzustellen und sie nicht
mechanisch erfolgen zu lassen. Die Tanzbeschreibungen sind für Tanzanfänger
an sich gut verständlich, wenn auch die Anleihen beim historischen
Tanz etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen. In den Erläuterungen
auf den letzten zehn Seiten findet man die Erklärung der Tanzschrift
und Zeichnungen für die verwendeten Gebärden. Das Repertoire
ist leicht zu überschauen, man kann damit z.B. in Gruppengottesdiensten,
bei denen niemand ausgeschlossen sein soll, gut zurechtkommen.
Doch - wo bleiben die Taizé-Lieder?
Die Tanzbeschreibungen nehmen regelmäßig Bezug auf die Taktzählung
der Gesänge, so daß die Vorlagen nötig sind, um die Bewegungen
an die richtige Stelle zu plazieren. Platz wäre noch genug vorhanden
gewesen, um die meist einzeiligen Gesänge abzudrucken. Auch der Text
des Buchrückens spricht von den „abgedruckten" Taizé-Gesängen,
so daß man annehmen muß, daß diese Absicht im letzten
Moment aus urheberrechtlichen oder finanziellen Gründen gescheitert
ist. Schade! Denn nicht um die auf dem Buchrücken angekündigten
„vollständigen Gestaltungselemente" tatsächlich zu bieten, sondern
um mit diesem Buch überhaupt arbeiten zu können, braucht man
unbedingt die Gesänge. Sicherlich haben zahlreiche Christen ein Liederheft
aus Taizé zu Hause liegen, aber die meisten wahrscheinlich nicht.
So zeigt der erste Blick in das Buch schon, welches Heft man sich gleich
dazukaufen muß (Vermutlich hat man das auch im Hause Herder erkannt.)
Ein Nachwort des Autors hätte
vielleicht noch darauf hinweisen können, daß die Bewegungen
und Tanzschritte nur ihre Einheit mit dem Gesang und darin zu einem wirklichen
Gebet finden, wenn sie von der jeweiligen Gruppe selbst gefüllt und
nicht nur kopiert und vom Band eingespielt werden. Denn das ist immer die
Gefahr: Die Arme schwingen zu lassen oder in Erinnerungen an Taizé
zu schwelgen, kann jeder, aber eigene Verbindung zum Gebet und Gesang herzustellen,
ist etwas anderes. Die Meditationstexte stellen zweifellos eine erfreuliche
Ergänzung und Aneignung des Gesanges dar. Allerdings spürt man
bei diesen „Tanzmeditationen" nicht unbedingt die Verbindung zum Tanz,
jedenfalls nicht sprachlich. Dabei ist doch dieser Ansatz der Verbindung
von Wort und Tanz so verheißungsvoll, wie er selten ist. - Hier scheint
die vorteilhafte Verbindung von Autor und Choreographin noch nicht ans
Ende gekommen zu sein, man könnte sich gut eine weitere Durchdringung
von Wort und Tanz gerade auf der Basis einfacher Meditations-gesänge
vorstellen (bei der dann auch die Choreographin als Verfasserin genannt
werden dürfte).
Monika Unterholzner
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