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Gabriele Wollmann: „Erhebt eure Hände zum Heiligtum und preiset den Herrn!" (Ps 134,2). Plädoyer für den Vollzug von Gebetsgebärden als „Einstieg" in getanztes Gebet und liturgischen Tanz in der Gemeinde, in: Lebendige Seelsorge 47 (1996), 48-52.

Wenn Gebetsgebärden und liturgischer Tanz Allgemeingut von Ortsgemeinden werden sollen, müssen zunächst die Verantwortlichen für die Liturgie davon überzeugt werden, daß dies eine Bereicherung der Liturgie darstellt und einen Zugang zu deren eigentlichen Wesen eröffnet. In der Absicht einer solchen Überzeugungsarbeit veröffentlicht Gabriele Wollmann in der Zeitschrift „Lebendige Seelsorge", also an die Adresse von Seelsorgern und Liturgen, eine Ermutigung, sich praktisch mit leiblichen Gebets- und Liturgieformen zu beschäftigen. Auch wenn Wollmanns Argumentation in manchem nicht befriedigen kann und eher verwirrend einebnet, statt klärend zu unterscheiden, ist ihr Ansatz in der Gemeindeliturgie unbedingt zu begrüßen. Es ist längst an der Zeit, nicht mit Tanzwilligen aus der unbeweglichen Gemeinde herauszugehen, sondern das übliche liturgische Tun auszugestalten, und nicht nur mit den Liturgie-Vorstehern über deren Predigt zu sprechen, sondern über deren Anleitung zum ganzheitlichen Vollzug der Liturgie.
So beginnt Gabriele Wollmann geschickt mit dem Verweis auf den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Lehmann, der auf den Katholikentagen (sonst leider nicht) beim Vaterunser alle einlud, mit erhobenen Händen zu beten, was in den Feiern eine große Resonanz erfuhr. Mit Recht kann sie den „geistlichen Gewinn", von dem die Liturgiekonstitution spricht, eines solchen ausdrücklich leiblichen Betens gegenüber dem rein geistigen schildern und die „Früchte" darstellen, die aus liturgischem Tanz erwachsen könnten: „leibhaft-ganzheitlich empfundene Hingabe, erfüllte Sehnsucht im bewegt-bewegenden Lob Gottes, mitreißende, verwandelnde (Glaubens-) Freude, heilende Gelöstheit, Spüren von Gegenwärtigkeit und Gott-nahe-Sein" (49). Dieser individuellen Sicht wäre unbedingt noch hinzuzufügen, daß gerade leiblicher Ausdruck und leibliche Erfahrung einen Zugang zur Liturgie als einem bewegtem Geschehen, als einem Handeln der ganzen Feiergemeinde ermöglicht.
Bei ihrem Bemühen um einen ausdrücklich leiblichen Vollzug der Liturgie differenziert die Autorin allerdings nicht ausreichend. War eben noch von der Orantenhaltung die Rede, so ist es jetzt vom „getanzten Gebet" und vom „liturgischen Tanz", die Wollmann als das eigentliche Ziel der „vollen und tätigen Teilnahme aller" Gottesdienst-Feiernden sieht. Auf der Strecke bleiben die Eigenbedeutung und der Eigenwert der verschiedenen Dinge, die z.B. eine Gebetsgebärde wie die Orantenhaltung, eine Prozession und der Tanz in der Liturgie darstellen. Konkret gefragt: Ist das Vaterunser oder das Gloria als Tanz eine grundsätzlich erstrebenswertere Weise des Gebetes als die eines in der Orantenhaltung gesprochenen? Die Eignung der Form kommt doch wohl auf den einzelnen Fall an. Gebetsgebärden sind wesensmäßig nicht ein „Einstieg" für Ungeübte, sondern eine spezifische Form für eine spezifische Gestaltung. Auch für Erfahrene müßten sowohl Gebärden als auch Tanz als gleichberechtigte Formen gelten. – Abgesehen davon ist es nicht sinnvoll, „getanztes Gebet" mit „liturgischem Tanz" gleichzusetzen, gibt es doch noch z.B. die „getanzte Verkündigung" und den Prozessionstanz als Tanz in der Liturgie. 
Ebenfalls als problematisch erweist sich die Wollmannsche Definition des Begriffs „Gebetsgebärde". Die Autorin versteht ihn „als Sammelbegriff für alle leibhaften Ausdrucksformen, er schließt folglich das Wort, die Sprache und die Bewegungsdimension mit ein, die innere Bewegung genauso wie die äußeren Bewegungsformen ..." (50, Hervorhebung im Original). Richtig ist daran, daß alle menschlichen Ausdrucksformen letztendlich leiblichen Charakters sind, denn Mensch kann man nur im Leib sein. In sämtlichen Tätigkeiten, sei es Sprechen, Singen oder auch still Dasitzen, „gebärdet" sich gewissermaßen der Mensch immer schon. Das heißt aber noch lange nicht, daß deshalb solches per se Gebet ist, nicht einmal im Gottesdienst. Ein solch ausgeweitetes Verständnis verkennt, daß das Gebet eine irgendwie geartete Hinwendung zu Gott und Ausdrücklichkeit voraussetzt. Im spirituellen Sinne läßt sich sicher das gesamte christliche Leben als Gebet definieren und damit auch alle menschlichen Gebärden als Gebetsgebärden. Doch scheint eine solche Definition einer Auseinandersetzung mit Bewegung und Tanz in der Liturgie wenig dienlich.
Wenn dabei auch die Gefahr besteht, Gebetsgebärden nur als eine defiziente Weise des leiblichen Liturgievollzuges einzuordnen, ist doch Gabriele Wollmann darin zuzustimmen, daß die Gebetsgebärden ein geeignetes Mittel sind, mit liturgischem Tanz überforderte Gemeinden langsam die leibliche Dimension des Gottesdienstes bewußter zu machen. Zum einen müßten die überkommenen Bewegungsformen wie das Gehen und Stehen, das Knien, die Verneigung, die Kniebeuge, das Sitzen, das Falten der Hände, etc. wieder mit mehr Aufmerksamkeit vollzogen werden, zum anderen könnte die bisher auf den Vorsteher beschränkte Orantenhaltung von allen Feiernden ausgeführt werden. Man wird hier allerdings bei denjenigen, in deren Verständnis der Gottesdienst vor allem ein geistiges Geschehen ist, mit großem Widerstand rechnen müssen.
Die Autorin gibt abschließend einige ebenso einfache wie brauchbare Anregungen zum praktischen Vollzug des Einzuges und der Kniebeuge. Ferner stellt sie eine von ihr nach Anregungen aus der ostkirchlichen Symbolwelt entwickelte „Mandalagebärde" vor. Es ist sicher kein Fehler, sich Gedanken über neue Ausdrucksmöglichkeiten für Gebet und Liturgie zu machen. Doch vorläufig haben wir noch reichlich damit zu tun, uns und die Gemeinden mit so althergebrachten Formen wie die der Orantenhaltung als allgemeine Praxis vertraut zu machen sowie die Angst vor dem leiblichen Ausdruck zu vertreiben.
In diesem Sinne bleibt zu hoffen, daß die Adressaten des Artikels zunehmend mehr verstehen, daß leibliche Ausdrucksformen kein fröhliches Katholikentagsextra sind, sondern eine existentiellere Weise des feiernden Vollzuges darstellen, die längst berechtigt ist, zur Normalität in den Gemeindegottesdiensten zu werden.
 

Claudia Seeger
 
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