Liturgiewissenschaftliches
Hauptseminar ÑLiturgie und Leib", Wintersemester 1998/99
Universität Bonn
Leitung Prof. Dr. Albert
Gerhards / Gereon Vogler
ñ Themen-/Referatsliste
für die Sitzungen ñ
(Vogler)
Eröffnungssitzung
Einführung
2. Sitzung
Der Leib in der Liturgie
Phänomenologischer Aufweis
der Ausdrucks- bzw. Erlebnisräume und -weisen in der Liturgie
3. Sitzung
Feier der Inkarnation
und der Epiphaniecharakter der Liturgie: Liturgie als Ort von Leiblichkeit
Theologische Grundlegung.
Liturgie ist hier im Rahmen einer theologischen Reflexion als Erfahrungs-
und Darstellungsraum des leibhaftigen Heilshandeln Gottes zu sehen.
Wie müßte inkarnationstheologisch Liturgie verstanden
werden? Welches Gewicht sollte einer bewußten Inkarnationstheologie
entsprechend der menschlichen Leiblichkeit in der Liturgie zuerkannt
werden? Inwieweit ist (bzw. kann sein) Leiblichkeit der Weg der
Erfahrung von Heil ñ generell sowie in der Liturgie?
4. Sitzung
Kult, Leiblichkeit und
Tanz ñ ein anthropologisch-religionswissenschaftlicher Vergleich
Schon seit frühen Kulturen
und in sehr vielen Religionen ist Tanz Bestandteil des Kultes ñ
als sei dies eine anthropologische Konstante. Das Christentum machte
(bis in unsere Tage) davon allerdings eine wesentliche Ausnahme,
und viele Theologengenerationen sahen nicht den geringsten Grund,
dies zu bedauern. Hier ist nun zu untersuchen, ob es sich bei diesem
Umstand um eine historische Fehlentwicklung handelt, näherhin
ist im religionswissenschaftlichen Vergleich die Frage zu diskutieren,
ob es feierspezifische kinetische Gestaltungsformen gibt, die eine
andere Qualität kultischen (liturgischen) Feierns erst ermöglichen.
Welche psychische Bedeutung hat etwa der Tanz, aber auch die Prozession
und Gebärden im Kult bzw. in der christlichen Liturgie?
5. Sitzung
ÑZum ëErhebet die Herzen!í
erheben sie den Po." ñ Haltungen der Gemeinde
Sich zu erheben ist ein Zeichen
der Ehrerbietung, aber für die Liturgie darf man fragen, obís
nicht manchmal mehr der Trott ist, der das Erheben von den Sitzen
bei bestimmten Gebetseinladungen bewirkt. Die Haltungen der Gemeinde
sind Ñdrin", was einerseits gut ist, weil wir sonst bei der gegenwärtigen
völlig unpathetischen Feierweise der Liturgie nur noch säßen,
andererseits verhindert diese unreflektierte Macht der Gewohnheit
z.B. auch ein Stehen zu Hochgebet. Allerdings könnte man ja
auch einmal darüber nachdenken, warum vielen Gläubigen
beim Knien nicht unwohl ist und ein ersatzloser Wegfall eine Lücke
hinterließe. Liturgische Haltungen: wenig bedacht, aber wesentlich
für den Vollzug.
6. Sitzung
Ein Privileg des Vorstehers?
ñ Gebetsgebärden
Gebetsgebärden wie z.B.
die Orantenhaltung haben eine ungemein beeindruckende Tradition.
Gegenwärtig ist davon nicht mehr viel erhalten, lediglich die
Liturgievorsteher praktizieren sie noch (meist mehr schlecht als
recht). Vergessen scheinen das Wissen und die Erfahrung um den Gewinn
an Intensität des Betens durch die Einbeziehung des Leibes.
Können Worte und Lieder als Ausdruck und Erfahrung des Gebetes
reichen? Brauchen wir nicht eine Renaissance der Gebetsgebärden?
Wie könnte sich die gestalten?
7. Sitzung
Gemeinde in Bewegung:
Prozessionen im Gottesdienst
Die liturgische Prozessionskultur
ist gegenwärtig derart miminalisiert, daß vielfach Prozessionen
nicht einmal als solche wahrgenommen werden. Dazu gehört etwa
der ÑEinzug", vielfach ein Hineinhuschen von Priester und Ministranz
zum Altar, aber auch die Tatsache, daß bei selbst ÑGroße
Einzüge" eindeutig mehr einem ÑGelatsche" oder einem Gelaufe
als einem Schreiten ähneln. Sowohl die psychische als auch
die theologische Bedeutung von Prozessionen ist fast in Vergessenheit
geraten, was erhebliche Verluste für den Feiercharakter der
Liturgie und ihre Symbolhandlungen hat. Dabei läßt sich
gerade hier mit einfachen Mitteln vieles und Wesentliches verbessern.
8. Sitzung
Angebot Kirchentanz: Der
aktuelle Aufbruch im sakralen Tanz, seine Richtungen und Auswirkungen
Nach einer weitgehend durchgängigen
Abstinenz von zweitausend Jahren Dauer ist nun fast schlagartig
der Tanz in den Kirchen heute verbreitet anzutreffen. Wer näher
hinsieht, erlebt dabei sehr Unterschiedliches: Meditatives Tanzen,
religiöser Ausdruckstanz, Tanz als Verkündigung, Tanz
als Gebet, liturgische Prozessionstänze usw. Wie kam es zu
diesem Aufbruch, welche Richtungen haben sich herausgebildet, inwieweit
lassen sie sich vereinbaren, wie strukturiert sich diese Bewegung?
Zwar stellt der Aufbruch im sakralen Tanz sicher nur einen ganz
kleinen Mosaikstein der Kirche dar, doch ist es atemberaubend zu
erleben, wie sich hier punktuell eine kirchenhistorische Wende vollzieht.
9. Sitzung
Die Afrikaner tanzen doch
so gut: Außereuropäische religiöse Tanzformen als
Impuls für die westlichen Liturgien?
Die meisten Mitteleuropäer,
auch die Theologen verweisen nach wie vor auf Afrika, Indien usw.,
wenn das Gespräch auf religiösen Tanz kommt: Die Zentralafrikaner
scheinen das Klischee des religiösen Tanzes zu verkörpern,
südostasiatische Tempeltänzerinnen stellen dazu den Inbegriff
von Anmut und Inbrunst dar. Aber glaubt man ernsthaft, solche kulturell
verwurzelten Formen könnten für uns Europäer eine
Vorbildfunktion haben? Ein hiesiges sakrales Tanzen wird sicher
immer anders aussehen. Aber wie, was sind für uns kulturell
authentische Formen, nicht nur für den sakralen Tanz, sondern
auch für Gebetsgebärden und Prozessionen?
10. Sitzung
Bleibt nur Ringelreihen?
ñ Kindergottesdienste und kinetische Gestaltungsweisen
Bewegungselemente und Tanz
standen im Kindergottesdienst schon ganz am Anfang einer leiblicher
gestalteten Erneuerung, und bis heute bestehen hier die geringsten
Hemmungen, sich solcher Formen zu bedienen. Weil es mit den Kindern
ganz einfach sein muß, werden häufig Gestaltungen verwendet,
die auch qualitativ etwas simpel ausfallen (z.B. bloße Liedtext-illustrationen).
Geht es nicht auch anders? Wie kann für Kinder eine liturgische
Bewegungsgestaltung insgesamt aussehen, die die Liturgie wirklich
als Raum der Feier, des Lobpreises Gottes, der Verkündigung
und Zeichenhandlung erfahren läßt?
11. Sitzung
Darf es auch Techno sein?
ñ Jugendgemäße kinetische Feierformen
Keine Frage, daß Jugendliche
gerne tanzen! Aber im Gottesdienst, wo der Reiz der Geschlechter
gar keine Rolle spielt? Daß dort sowieso nicht viele Jugendliche
hinkommen, wird auch ein frommer Tanz nicht ändern können.
Wie ist es mit Techno? Techno, also (im Idealfall) Ekstase in der
Liturgie? Kaum vorstellbar! Dennoch hat es eine Reihe von Versuchen
gegeben, über die man gerne streiten sollte. Und wennís nicht
Techno sein soll, was kommt sonst für Jugendliche in Frage?
Damit haben sich erst wenige beschäftigt, obwohl Tanz zweifellos
zu den gängigen Erlebnis- und Ausdrucksformen dieser Altergruppe
gehört und dessen Verwendung in Ñjugendgemäßen"
Liturgien nahelegen würde. Hierhin gehört auch die Beschäftigung
mit dem Neuen Geistlichen Lied und einer möglichen kinetischen
Gestaltung dessen. (Einbeziehung eines Videos vorgesehen)
12. Sitzung
Luna tanzt: Feministische
Liturgien und Tanz
Kaum noch ein Werkbuch zu
Frauenliturgien erscheint, das nicht Tanz reichlich einbezieht,
und der Weltgebetstag der Frauen fiele eher ohne als mit Tanz auf.
Tanz ist in Frauenliturgien zur Selbstverständlichkeit geworden
ñ das ist schön und problematisch zugleich, denn etwa ÑHexentänze"
und manche meditativen Tänze scheinen sich schwerlich in eine
kirchliche Liturgie einzufügen, und so nimmt es nicht wunder,
daß hier in Verbindung mit dem Tanz reichlich neue Rituale
entstehen. Welche Formen von Bewegung und Tanz werden sowohl Frauen
als auch den Essentials einer christlichen Liturgie gerecht?
13. Sitzung
Ñ.... und ihr habt nicht
getanzt." (Mt 11,17) ñ Unvorstellbar: Gemeindeliturgie und Tanz?
Allgemeine Beteiligung an
Tanz und Gebetsgebärden in Gruppen- und Sondergottesdiensten,
das ist nicht das Problem. Aber selbiges in der Gemeindeliturgie,
das erscheint als kaum vorstellbar. Trotzdem: darum geht es, nämlich
auch in den normalen Gemeindegottesdienst die leiblichen Vollzüge
zu berücksichtigen und die übliche Liturgie nicht austrocknen
zu lassen. Allerdings ist die Vorstellung, sich darin (vom Platz)
bewegen zu sollen, mit sehr viel Angst und darum mit Widerstand
besetzt. Haben von daher kinetische Feierformen in der Gemeindeliturgie
keine Chance? Ein Blick auf die Kirchenmusik erlaubt eine realistische
Perspektive: Weder müssen dort immer alle alles tun noch bleibt
dort alles den Spezialisten überlassen. Einfachere Gesänge
wie Bewegungsformen kommen für alle Mitfeiernden in Frage,
anderes, wie Mehrstimmiges oder Choreographisches, für eine
geübte Gruppe.
14. Sitzung
Tanz statt Predigt ñ Tanz
als Verkündigung?
Kann Tanz eine verbale Predigt
ersetzen? Wie soll das gehen? Und wie kann das überhaupt gelingen,
ohne zu einem peinlichen Erlebnis oder einem Bibel-Amateurtheater
zu geraten, denn John Neumeier läßt sich sicher nicht
für einen Gemeindegottesdienst engagieren. Es kann aber kein
Zweifel daran bestehen, daß der kinästhetisch und damit
intuitiv erfahrbare Tanz in besonderer Weise zur Verkündigung
geeignet ist (immerhin ist Tanz zu einer hochartifiziellen Bühnenkunst
avanciert), und mittlerweile läßt sich praktisch von
mehr als nur interessanten Ansätze ausgehen. (Einbeziehung
von Videos vorgesehen)
Abschlußsitzung
Zusammenfassung und abschließende
Diskussion
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