Biografie



Tony bei seiner ersten Messe am
24. März 1961
© Copyright Bill de Mello






Tony de Mello SJ
Eine Biografie von Bill de Mello


Dies ist die Geschichte der ersten Begegnung zweier Brüder
- und auch die der letzten -
sowie von einigen Familienereignissen,
die sich in der Zwischenzeit ereignet haben.



Die erste Begegnung

Am Nachmittag des 29. Juli 1944 rannte ein 13-jähriger Junge von seinem Zuhause in die Geburtsklinik von Bombay, Indien, um dort seine Mutter zu besuchen. Seine Gedanken rasten schneller als seine Beine, denn für ihn war eine Sternstunde des Schicksals angebrochen.
Die Zukunft des Jungen würde goldglänzend sein, wie in seinen Träumen und Plänen - wenn
der Neugeborene ein Junge wäre. Eisern jedoch wäre seine Zukunft, wenn das Neugeborene ein Mädchen wäre - denn dies würde für seine Zukunft eine Lehrzeit bei der Eisenbahn bedeuten.
Der 13-jährige war Anthony de Mello, Tony, und der Neugeborene war - ich, Bill. Als Tony mich sah, brach es voll Freude aus ihm heraus: "Jetzt kann ich doch Priester bei den Jesuiten werden!"



Die letzte Begegnung


Am Abend des 31. Mai 1987 traf ein 56-jähriger Mann seinen 43-jährigen Bruder in New York. Der ältere war Tony de Mello SJ, ein weltbekannter spiritueller Meister, und der jüngere war ich, Bill de Mello, ein wenig bekannter Laie. Die Begegnung fand in der Fordham Universität im Stadtteil Bronx statt. Ich kann mich an diese Begegnung noch so gut erinnern, als wäre sie erst gestern gewesen, so oft habe ich sie mir immer wieder vergegenwärtigt. Wir hatten zusammen in der Kantine zu Abend gegessen, und Tony zeigte sich dabei, wie immer, sehr am Wohlergehen anderer Menschen interessiert. Er drang darauf, dass wir das Essen so bald wie möglich beendeten, damit die Mitarbeiter dort endlich nach Hause gehen konnten.

Tony war in die USA gekommen, um Seminare und Workshops über Spiritualität zu halten, die über eine Satellitenverbindung gleichzeitig an 600 Universitäten und Colleges in den USA und Kanada mitverfolgt werden konnten und diese verbanden. Ich selbst weilte gerade in den USA im Auftrag meiner australischen Arbeitgeber, um an einem besonders interessanten globalen Projekt mitzuarbeiten. Früh am Tage hatte Tony mir noch versichert, dass er sich von dem Jet-lag (körperliche Symptome nach langen Flugreisen mit erheblichem Zeitunterschied) nach dem langen Flug von Indien in die USA erholt habe.

Im Laufe des Abends jedoch äußerte Tony, dass er Magenprobleme habe. Das hätte eigentlich bei mir ein Alarmsignal auslösen müssen, denn Tony klagte sonst nie... Seine innere Einstellung war ein friedliches Annehmen von jedem und allem, was ihm im Leben zustieß.

Nach dem Abendessen saßen wir noch zusammen und sprachen miteinander. Er verließ mich kurz, um ein Medikament einzunehmen, das jedoch nicht zu helfen schien. Was wir so schön als einige kostbare Stunden, die wir ganz für uns allein verbringen konnten, geplant hatten, wurde durch sein zunehmendes Gefühl des Unwohlseins getrübt. Schließlich sagte er, dass er müde sei und zu Bett gehen wolle. Vor unserem Abschied verabredeten wir noch, uns später im Jahr in seinem Seminarhaus in Indien wieder zu treffen. Unsere letzten gemeinsamen Minuten galten einer sehr herzlichen Umarmung, und wir verabschiedeten uns voneinander mit unterdrückter Emotion.

Am nächsten Morgen fand man Tony tot auf dem Fußboden seines Zimmers.

Einen Tag später wurde Tonys Leichnam in der Kapelle der Fordham Universität aufgebahrt. Er sah so unglaublich lebendig aus, dass ich weder richtig glauben noch akzeptieren konnte, dass er tot war. Ich brach zusammen, schluchzend... Wir hatten so viele spirituelle Fragen zwischen uns ungeklärt gelassen. Ich durchlebte die üblichen Gefühlsabfolgen: Zorn... Warum musste er sterben? Trauer... Ich werde ihn nie wiedersehen. Schmerz und Schuld... Ich hätte ahnen können, dass sich bei ihm ein Herzanfall ankündigte und hätte etwas machen müssen! Hauptsächlich aber Schock und Nicht-wahr-haben-Wollen... Wie kann ein anscheinend gesunder Mensch, der nur wenige Monate vorher von einem anerkannten amerikanischen Herzspezialisten einen guten Gesundheitszustand bescheinigt bekommen hatte, so plötzlich an einem Herzanfall sterben? Wie soll man das nennen: Schicksal, Bestimmung oder Gottes Wille? All diese Fragen werden unbeantwortet bleiben, bis wir Brüder einander wiedersehen - wer weiß wo, wer weiß wann?


weiter zu Teil 2